Projektüberblick
Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Sichtbarkeit von HAW-Professorinnen zu erforschen und zu erhöhen. Im Hinblick auf Sichtbarkeit sind Professorinnen an HAW eine bislang absolut unerforschte Personengruppe. Die Leistungen dieser Frauen liegen neben der (angewandten) Forschung auch bei der intensiven Interaktion mit Wirtschaft und Gesellschaft, also dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Sichtbarkeit von HAW-Professorinnen muss also mit einer Vielzahl an Indikatoren beschrieben, bewertet und mit neuen Instrumenten befördert werden.
Das Forschungsvorhaben basiert auf einem transdisziplinären Team und Forschungsblick. Sichtbarkeiten von HAW-Professor:innen werden soziologisch, ökonomisch und informatisch untersucht. So werden die Akteur:innen, ihr Handeln, ihre Ziele und ihre Erfolge hinsichtlich ihrer Sichtbarkeit analysiert und mit digitalen Logiken sowie Mechanismen zur Herstellung oder Verhinderung digitaler Fairness in Beziehung gesetzt. Da das Herstellen von Sichtbarkeit von HAW-Professorinnen einen komplexen Prozess darstellt und bisher völlig unerforscht ist, beantwortet das Projekt vier sehr grundlegende Leitfragen.
(1) Was bedeutet Sichtbarkeit für HAW-Professor:innen?
Für die Analyse wird zunächst ermittelt, was als sichtbarkeitsrelevant angesehen wird. Dies dient als Grundlage für alle weiteren Forschungsfragen und die zu entwickelnden Handlungsempfehlungen.
(2) Welche Sichtbarkeiten wollen und können HAW-Professorinnen erreichen?
Um Sichtbarkeitserfolge einordnen zu können wird untersucht, welche Sichtbarkeiten erreicht werden wollen und inwiefern dies gelingt.
(3) Wie sichtbar sind HAW-Professor:innen?
Sichtbarkeitserfolge sind auch von den Wahrnehmenden und den Wahrnehmungskonjunkturen bedingt. Dies gilt vor allem für den digitalen Raum, bei dem beispielsweise Suchalgorithmen eine Rolle spielen.
(4) Wie stellen HAW-Professorinnen Sichtbarkeit her?
Es wird untersucht, mit welchen konkreten Praktiken des Sichtbar-Werdens HAW-Professor:innen versuchen, Sichtbarkeit herzustellen. Daraus lässt sich ableiten, welche Unterscheide es zwischen den Geschlechtern gibt und wie sie überwunden werden können.
Diese Leitfragen werden mit einem Mixed-Methods-Ansatz untersucht, der quantitative und qualitative Methoden verbindet. Die Ergebnisse werden von Beginn an mit den internetbasierten Tools zur Herstellung von Sichtbarkeit verknüpft und abgeglichen. Als Untersuchungsfelder dienen die Informatik als eher männlich dominierter Fachbereich und die weiblich codierten Sozialwissenschaften.
Arbeitspaket Z
Die Forschungsfrage wird ausgehend von der Interdisziplinarität des Projekts mit unterschiedlichen Methoden adressiert: qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung sowie algorithmische Analysen. Auf einem gemeinsamen theoretischen Verständnis aufbauend gestalten wir eine kooperative und transparente Zusammenarbeit. Theoretisches Fundament bildet ein praxeologisches Verständnis von Sichtbarkeit als Herstellungsprozess (doing visibility). Die disziplinübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht eine differenzierte Analyse des komplexen Forschungsgegenstandes. Die verschiedenen Perspektiven und inhärenten Logiken der einzelnen Disziplinen tragen dazu bei, Ergebnisse für unsere gemeinsame Zielsetzung zu generieren. Basierend auf dem empirischen Material entwickeln wir Handlungsempfehlungen, Workshopmaterial und einen Konfigurator, der individuelle Sichtbarkeitsempfehlungen erzeugen kann.
Arbeitspaket A
Forschungsfragen: Das Arbeitspaket folgt einem praxeologischen Verständnis von Sichtbarkeit als Herstellungsprozess. Forschungsleitende Fragestellungen sind dabei, welche Sichtbarkeitsambitionen vorliegen, welche Wege der Sichtbarkeit gesucht werden und welche Gelingens- und Scheiternsbedingungen sich feststellen lassen. Zentral wird die Frage sein, welche geschlechterpezifischen Unterschiede bei der Herstellung von Sichtbarkeit festzustellen sind. Das Arbeitspaket rekonstruiert implizite Wissensbestände und Normen, die handlungsleitend sein können für Sichtbarkeit und Sichtbarkeitserfolge wie beispielsweise Geschlechternormen, Deutungsmuster hinsichtlich der Einordnung der eigenen Leistung, des Sichtbar-Werden-Wollens oder Sichtbarkeitsmöglichkeiten innerhalb der Fachkulturen.
Methodik: Die qualitative Erhebung erfolgt mittels explorativer Expert:inneninterviews und Gruppendiskussionen. Diese werden mit der dokumentarischen Methode ausgewertet.
Arbeitspaket B
Fragestellungen: Das Arbeitspaket befasst sich mit der Quantifizierung der Bedeutung von Sichtbarkeit, sowie der Praktiken zur Herstellung von Sichtbarkeit. Welche Sichtbarkeiten wollen und können erreicht werden? Wie wird Sichtbarkeit hergestellt?
Methodik:
Im ersten Schritt wird der Zusammenhang zwischen den Präferenzen, den persönlichen und institutionellen Ressourcen, den Aktivitäten zur Herstellung von Sichtbarkeit und der tatsächlichen Sichtbarkeit im Internet analysiert. Die Auswahl und Operationalisierung möglicher Einflussfaktoren von Sichtbarkeit leitet sind aus den Erkenntnissen der qualitativen Interviews in Arbeitspaket A ab. Für die Datenerhebung werden Expert:innen eines zuvor ausgewählten Themas der Fachbereiche Informatik und den Sozialwissenschaften zu ihrer Sichtbarkeit und den persönlichen Rahmenbedingungen befragt. Zugleich wird deren Sichtbarkeit im digitalen Raum mit einem standardisierten Instrument erfasst. Auf Basis dieser Informationen können die Zusammenhänge zwischen den individuellen Wünschen, den Handlungen und verschiedenen Dimensionen der Sichtbarkeit analysiert werden.
Im zweiten Schritt werden die zuvor erzielten Erkenntnisse für die Zielgruppe der Professor:innen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften validiert. Ziel der Befragung ist es, die für die HAW-Professor:innen relevanten Dimensionen und Praktiken der Sichtbarkeit zu beleuchten und zu quantifizieren. Auf Basis der Ergebnisse können Hürden zur Erlangung von Sichtbarkeit von Professorinnen erkannt und Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit dieser Wissenschaftlerinnen abgeleitet werden.
Arbeitspaket C
Forschungsfragen: Das Arbeitspaket beschäftigt sich mit der digitalen Seite der Sichtbarkeit. Es wird untersucht, wie sichtbar Professorinnen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) im Vergleich zu Professor:innen an HAW und Universitäten in Ergebnissen von Suchmaschinen sind. Weiterhin werden Algorithmen des Natural Language Processing, vor-trainierte Modelle und Trainingsdatensätze betrachtet. Hierbei wird auch erforscht, wie eine algorithmische Gendergerechtigkeit durch algorithmische Methoden verbessert werden kann.
Methodik: Aus der Sicht von verschiedenen Fragesteller:innen wird in unterschiedlichen Suchmaschinen nach Expert:innen zu Themen der Informatik und sozialen Arbeit gesucht. Die erhaltenen Ergebnisse werden mit den Professorinnen an HAW abgeglichen, die in den jeweiligen Bereichen in den Suchergebnissen enthalten sein müssten. Anschließend werden die Suchergebnisse mit einer Kontrollgruppe von Professor:innen an HAW und Universitäten abgeglichen und nach Gründen für Unterschiede gesucht. Ausgehend von dieser Analyse werden die, den Suchmaschinen, zugrundeliegenden Algorithmen, Modelle und Datensätze analysiert und Methoden der algorithmischen Fairness auf diesen evaluiert.